Wenn mein Kind schreit und die Welt nicht versteht – Wutanfälle aus Sicht einer autistischen Mutter - Sensolino Shop

Wenn mein Kind schreit und die Welt nicht versteht – Wutanfälle aus Sicht einer autistischen Mutter

Ich bin Mama einer wunderbaren kleinen Tochter. Sie ist 3 Jahre alt, nonverbal und autistisch. Und manchmal – manchmal bricht die Welt einfach über ihr zusammen. Dann schreit sie, weint, wirft Dinge oder schmeisst sich auf den Boden. Für viele sieht es aus wie ein Wutanfall.

Aber ich weiss inzwischen: Es ist viel mehr als das.


Was andere sehen – und was wirklich passiert

Wenn mein Kind im Supermarkt plötzlich schreit, sich den Kopf hält und sich nicht mehr beruhigen lässt, dann ernte ich oft kritische Blicke. Ich spüre sie – die Blicke, die sagen:
„Dieses Kind ist verzogen.“
Oder: „Warum hat die Mutter ihr Kind nicht im Griff?“

Aber niemand sieht, dass mein Kind in diesem Moment überfordert ist.
Niemand sieht, dass sie vielleicht Bauchschmerzen hat, dass das Licht zu grell ist, die Geräusche zu laut, oder dass der Plan sich geändert hat.
Niemand sieht, dass sie es nicht sagen kann.

Meine Tochter hat keine Worte, um zu sagen:
„Mama, mir ist das zu viel.“
„Ich habe Hunger, aber mir ist schlecht.“
„Ich will einfach nur nach Hause.“

Stattdessen schreit ihr Körper für sie.


Ein Wutanfall ist nicht gleich ein Meltdown

Ich habe gelernt, den Unterschied zu erkennen.
Ein „Wutanfall“ passiert, wenn ein Kind etwas will – Süssigkeiten, ein Spielzeug, Aufmerksamkeit. Aber bei meiner Tochter sind diese Ausbrüche anders. Sie sind nicht gesteuert. Sie passieren, wenn ihr Nervensystem kollabiert.

Diese Zusammenbrüche nennt man oft Meltdowns – und sie sind kein Trotz.
Sie sind eine Stressreaktion. Ein Zeichen von Überforderung, Schmerz, Angst oder Hilflosigkeit.


Als Mutter dabei zu sein – ist schwer

Ich bin ehrlich: Es tut weh.
Es ist schwer, zuzusehen, wie mein Kind leidet und ich es nicht sofort beruhigen kann.
Es ist schwer, in der Öffentlichkeit gelassen zu bleiben, wenn alles in mir schreit: „Bitte versteht sie!“
Es ist schwer, nicht mit ihr zu weinen.

Manchmal fühle ich mich hilflos.
Manchmal bin ich erschöpft.
Und manchmal habe ich Angst – vor dem nächsten Mal.

Aber ich habe auch gelernt, ruhig zu bleiben. Ihr Sicherheit zu geben.
Ich habe gelernt, ihre Frühzeichen zu erkennen – wenn sie unruhig wird, zu summen beginnt, sich die Ohren zuhält. Dann weiss ich: Jetzt braucht sie Schutz. Jetzt muss ich handeln, bevor es kippt.


Was hilft – für uns

Wir sind noch auf unserem Weg, aber das hilft uns gerade:

  • Feste Routinen: Sie liebt Struktur – Überraschungen sind schwierig

  • Körpersprache lesen: Ich lerne ihre Zeichen besser zu verstehen

  • Rückzugsorte schaffen: Zuhause, im Auto, sogar unter meiner Jacke

  • Nicht kämpfen, sondern begleiten: Ich muss nichts kontrollieren – ich darf einfach da sein


Und für alle, die zusehen: Bitte urteilt nicht

Wenn ihr ein Kind schreien seht, das scheinbar „ausflippt“, dann haltet einen Moment inne.
Vielleicht kämpft dieses Kind gerade einen inneren Kampf, den ihr nicht sehen könnt.
Vielleicht versucht es, in einer Welt zu überleben, die oft zu laut, zu schnell, zu viel ist.

Und vielleicht steht da eine Mutter, die alles gibt – still, geduldig, müde, aber mit ganzem Herzen.


Mein Wunsch

Ich wünsche mir mehr Verständnis.
Mehr liebevolle Blicke.
Mehr Wissen über Autismus – besonders bei kleinen, nonverbalen Kindern.
Und mehr Unterstützung für Eltern, die oft einsam mit all dem sind.

Wenn du das hier liest und dich wiedererkennst: Du bist nicht allein.
Unsere Kinder brauchen uns – mit all unserer Liebe, Geduld und unserer Stimme.
Und wir brauchen einander.


Autorin: Mama einer kleinen Autistin, Gründerin von Sensolino – für mehr Sichtbarkeit, Verständnis und Verbindung.
(Teile diesen Beitrag gern, wenn du helfen möchtest, Aufklärung zu verbreiten.)

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